Die drei Künstler (von links: Rainer Storck, Anna Schriever, Jürgen Marose) haben sich mit einem sehr persönlichen und existentiellen Ansatz zusammengefunden. Sie sprechen von einer Welt, einer an sich schönen Welt, die zerbröckelt, zerfällt, die dem einzelnen zu entgleiten droht, sie sprechen von der Zerbrechlichkeit des Glücks. Ihre Darstellungsweise, die angewandten Techniken mögen noch so verschieden sein, ihre Werke ergänzen sich, führen zu dieser Zusammenschau wie sie das Begleitheft in einer Art Collage vorführt. Und diese Synopse führt über das Werk des einzelnen hinaus, indem sie es perspektivisch erweitert.

 

Jürgen Marose

In seinen Bildern erscheint der Mensch in Rückenansicht, wie er bei Caspar David Friedrich vorgeprägt erscheint. Seine Menschen, Umrissfiguren, Schatten, die selbst schon durch die angewandte Technik brüchig, in Auflösung erscheinen und sich in einen Raum begeben, der selber ohne verlässliche Perspektive ist, in dem sich der einzelne isoliert, sich selbst zu verlieren droht. Jürgen Maroses Räume, in die sich seine Menschen nur zögerlich begeben, sind Wüstenräume, rudimentäre Landschaften, eine Fata Morgana, eine Spiegelung, in der sich der Mensch wie im Nebel verliert. Der Mensch auf dem Weg, allein oder mit anderen, in freie Räume, in enge Schluchten, immer aber mit unbestimmtem Ziel. Jürgen Maroses Räume werden jedoch zunehmend lichter, andererseits werden die von Zerstörung geprägten Stadtlandschaften bedrückender. Es bleibt dem Betrachter überlassen, ob er Wolkenspuren oder Menetekel erkennen will.

 

Jürgen Marose, o.T., 2004, Asphalt und Acryl auf Leinwand, 70x80 cm

 

Jürgen Marose, o.T., 2004, Asphalt und Acryl auf Leinwand, 70x80 cm

 

 

Jürgen Marose, o.T., 2004, Asphalt und Acryl auf Leinwand, 32x39 cm

 

Jürgen Marose, o.T., 2004, Asphalt und Acryl auf Leinwand, 32x39 cm

Rainer Storck

Was sich an Elementarem der Welt, an Landschaft im weiten Sinne bei Jürgen Marose nur in Andeutung findet, steht bei Rainer Storck im Mittelpunkt. Er führt die Räume aus, so könnte man vielleicht sagen, in die sich Jürgen Maroses Menschen begeben, mit denen sie sich konfrontiert sehen. Es sind apokalyptische Landschaften, chaotische Urzustände, Endzustände, Urgewitter...  Dieses Chaos des Anfangs vor der in der Schöpfung gestalteten Ordnung, dieses ständig drohende Chaos eines Hereinbrechens der Naturgewalten oder auch das Erstarren in einer Eiszeit: in Rainer Storcks Bildern stieben die Funken, fliegen die Eiskristalle. Im Begleitheft wird Goethe zitiert: „Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser! / Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!"

 

Rainer Storck, "Wutschutt, 2002, Mischtechnik auf Papier, 44x63 cm

 

 

Rainer Storck, "Irgendwo", 2002, Mischtechnik auf Papier, 36x46,5 cm

 

Rainer Storck, "Schmiede der Zeit", 2003, Mischtechnik auf Papier, 32x41 cm

 

 

Anna Schriever

Auf den ersten Blick scheinen Bilder von Anna Schriever, der Frau in diesem kongenialen Trio aus einer anders gearteten Welt. Ihre Motive sind eindeutig figurativ, stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Aus einem nebelhaften Raum, aus Farbschlieren, in denen Grau oder doch eine gedämpfte Farbigkeit dominiert, löst sich ein Gesicht, ein Ansatz von Schultern, eine Figur, die weitgehend sich selbst überlassen bleibt: ein Mensch, dem die Malerin nicht zu nahe tritt und sich ihm dennoch nähert. Wie ein Giacometti mit dem Stift sucht Anna Schriever das Spezifische dieses Menschen zu erfassen, sich seinem Weltverständnis, seiner Gefühlswelt zu nähern, indem sie sich – man muß es schon so sagen -liebevoll an ihn herantastet, - und wie Giacometti weiß auch sie, dass auch dies immer nur Annäherung sein kann, und doch geht es so unendlich über das hinaus, was der Alltag in der Regel vermittelt.

 

 

Anna Schriever, "Die Gewissheit der Verschiedenheit", 2004, Acryl auf Leinwand, 105x90 cm

 

Anna Schriever, "Gabe", 2003, Acryl auf Leinwand, 80x80 cm

 

Anna Schriever, "Lebenszeichen", 2004, Mischtechnik auf Leinwand, 49x49 cm

 

 

Anna Schriever berührt ihre Figuren sanft und ermöglicht ihnen, sie selber zu sein. Sie gibt dem Menschen, dem Jürgen Marose in Rückenansicht eine Kontur der Verletzlichkeit, des Ausgesetztseins in einer schwer auslotbaren Welt verleiht, eine beredte Innerlichkeit. Sie stellt eine Befindlichkeit dem Elementaren der Naturgewalten gegenüber, wie Rainer Storck sie ins Bild setzt: Der Mensch verletzlich, verletzt, gefährdet in einer immer schon bedrohten Welt. Die drei Künstler unternehmen zusammen den Versuch, den Menschen in dieser „besten aller möglichen Welten" zu orten, der besten, denn wir haben keine andere. Sie sprechen von der „Zerbrechlichkeit des Glücks", doch setzt, wie gesagt, die Zerbrechlichkeit des Glücks die Möglichkeit von Glück voraus.

Ingeborg Bauer, Esslingen