NWZ vom 04.07.2007

 

AUSSTELLUNG / Elisabeth Romer, Gunda Scheel und Eva Schmeckenbecher in der Göppinger Galerie Kränzl

 

Wenn Heimat an Romantik verliert

Morbide und windzerfetzt: Heimat als orientierungsloses Durcheinander

 

Fünf Foto-Ausstellungen, die bis zum 16. September in Göppingen zu sehen sind, befassen sich mit dem Thema „Identität und Heimat". In der Galerie Kränzl zeigen Elisabeth Romer, Gunda Scheel und Eva Schmeckenbecher ein eindrucksvolles, aber wenig romantisches Bild davon, was Heimat sein könnte.

HANS STEINHERR

GÖPPINGEN •Der Mensch will Heimat und schickt seine Seele auf die Suche nach ihr. Irdische Orte der Zuflucht, der Geborgenheit zu finden fällt ihr nicht leicht. In Joseph Freiherr von Eichendorffs Gedicht von der „Mondnacht" entschwindet sie letztlich ins Jenseits. Mit der Schlusszeile daraus

„... als flöge sie nach Haus" hat eine Ausstellung in der Göppinger Galerie Kränzl eröffnet. Sie ist Auftakt einer fünfteiligen Reihe in der Stauferstadt, die zum .Fotoprojekt „Identität und Heimat" der Kultur-Region Stuttgart zu zählen ist. Gehen verschiedene Generationen mit Identität und Heimat unterschiedlich um? Elisabeth Romer, Gunda Scheel und Eva Schmeckenbecher haben fotografisch Stellung zum Thema genommen; unabhängig voneinander verschiedene Orte gefunden, die eines gemeinsam haben: Heimat zu sein frei von romantischen Vorstellungen.

Die schwarz-weißen Fotografien der Gunda Scheel (Jahrgang 1940) eröffnen eine bedrückend ambivalente Sichtweise auf den Begriff Heimat. Der Wunsch nach ihr ist gleichzusetzen mit der Sehnsucht nach Freiheit. Windzerfetzte Stoffreste; am Zaun hängen geblieben, winken ihr zu. Morbid ist der Anblick. Dennoch: Zuversicht stemmt sich gegen Hoffnungslosigkeit, versieht die Fotografien unerwartet mit schmerzfreier Leidenschaft und visueller Ästhetik. Auch Elisabeth Romer (Jahrgang 1968) und Eva Schmeckenbecher (Jahrgang 1977) sind auf zerstörte Orte von Heimat gestoßen: Fassaden und Schutthalden, unpersönliche Sammelstellen in Beton oder Stahl, von Menschen verlassen bei Schmeckenbecher oder nur noch schemenhaft vorhanden bei Romer.

Elisabeth Romer kratzt von ihren Fotografien die Farbschichten ab, bis ein gleißendes Gelb übrig bleibt und eine lokale Vorstellung von Heimat völlig in Illusion auflöst. Eva Schmeckenbecher - so hat es den Anschein - setzt Heimat zusammen: Fotoansichten, die wie ein Puzzle aus Bruchstücken zusammengesetzt sind. „Abriss ist ein Wand bedeckend großes Tableau aus 20 einzelnen Fototafeln. Gradlinige Schnitte ziehen sich durch das gesamte Werk, zerteilen und zerlegen rücksichtslos - und schaffen in diesem orientierungslosen Durcheinander neue Beziehungen. Im Hauptraum der Galerie stehen auf hölzernen Beinen drei mit Wasser gefüllte gläserne Becken. Oben auf dem Wasser tauchen gespiegelte Bilder vom Meeresboden und Meerestieren auf, zum Greifen nah. Der Boden der Becken jedoch bleibt transparent. Heimat, so scheint es st auch nicht so einfach zu definieren und schon gar nicht zu fassen.