Südkurier vom 28.7.2005

 

Hin zur Ruhe

Eine neue Adresse: die Galerie Kränzl in Gaienhofen-Horn

BRIGITTE ELSNER-HELLER

 

Die Halbinsel Höri mit Literatur und Kunst zu assoziieren, ist nicht unbedingt neu. Allerdings richtet sich der Blick dabei in der Regel in die Vergangenheit, zurück auf Hesse und seine Künstlerfreunde oder auf einen zwangsweise „gezähmten" Dix, der Landschaften malte. Immer noch ist die Höri eine ländliche Gegend, die mit ihrer Schönheit nicht geizt und sich damit geradezu in Widerspruch zu allen Widrigkeiten des Lebens setzt.

Ein Ausstellungtitel wie „Die Geburt des Trotzdem" kann hier im Grunde nur in einem lebensbejahenden Zusammenhang interpretiert werden. Die drei aus dem Rheinland stammenden Künstler Jürgen Marose, Anna Schriever und Rainer Storck stellen in der Galerie Kränzl in Gaienhofen-Horn jedenfalls gemeinsam unter dieser Maxime aus, und ganz so viel Existenzielles mag man in ihre Arbeiten - an diesem Ort oder woanders - gar nicht hinein interpretieren. Nicht zum ersten Mal stellen sie gemeinsam aus, auch schon in Göppingen, wo Trude Kränzl als Galeristin begonnen hat, bevor sie im April dieses Jahres eine Dependence in Hörn eröffnete (sie selbst lebt in Radolfzell).

Wenden wir uns also ab von der Sisyphus-Arbeit, die mit der Existenzialphilosophie verbunden ist, oder nehmen nur Camus heraus, der letztlich gar nicht so weit von der modischen Formulierung „Der Weg ist das Ziel" entfernt ist. Weg von den Aufgeregtheiten, hin zur Ruhe, die bei allen drei Künstlern zu finden ist, auch wenn in Katalog- oder Vernissage-Texten auch von der Apokalypse zu lesen ist.

Jürgen Marose und Anna Schriever bleiben der figürlichen Malerei verbunden, ein Ausgangspunkt, der umso mehr Vertrauen und Vertrautes schafft, als der Mensch bei ihnen im Mittelpunkt steht. Beinahe verloren wirkt er in den Weiten der oft großformatigen Bilder von Jürgen Marose (Geboren 1952 im Rheinland). In kleinen Gruppen (ein Zeichen wider die Einsamkeit) bewegen sich Menschen vom Betrachter aus weg, wie Fischer, die zu ihren Booten gehen, um aufs Meer hinaus zu fahren. Doch eine trügerische Ruhe vor dem Sturm wird dabei nicht herauf beschworen. Wenn Jürgen Marose Asphalt und Acryl auf der Leinwand perlend zusammen bringt, scheint ein altes Gesetz beschworen zu werden und mit ihm die Regeln, die das Überleben sichern. Ein altes „Insiderwissen", das in einer Gruppe bewahrt ist.

Anna Schriever (Jahrgang 1961) porträtiert Menschen, keine individuellen Physiognomien oder Charaktere, sondern den Menschen an sich. Schemenhaft treten ihre stillen Figuren aus einem Meer von Ocker oder Umbra hervor, in gezeichneten Schraffuren oder verwaschenen Farbwolken (Acryl auf Leinwand). Die Zartheit der Ausarbeitung verführt zu der Annahme, es handle sich um Frauenporträts, doch bei genauerer Betrachtung berechtigt höchstens die relative Kopfgröße zu dieser Annahme. Nur ein Gemälde trägt einen Titel, und der lautet dann ausgerechnet „Der Rückblickende". Ein Mann, der sich nicht etwa der Welt zu-, sondern abwendet und verschwindet - das entspricht nicht den gängigen Vorstellungen.

Mit Rainer Storck (geboren 1955 in Düsseldorf) ist der Schritt in die Abstraktion getan, auch wenn gerade er auf sprechende Titel nicht verzichtet. „Ein Millionär allein in der brennenden Wüste" - das klingt nicht nur existenziell oder verbittert. Storck, der seit 2001 in Barcelona lebt und arbeitet, übersetzt die Brüche, die er wahrnimmt, in Collagen aus groben Papieren, die er bemalt oder mit Tropfen versieht. Sein „Trotzdem" besteht in einer Reaktion, die an die Zerschlagung des Gordischen Knotens erinnert: Er zerschneidet Papiere in saubere Quadrate, die er dann vollkommen regelmäßig aufreiht. Oder um das Bild nochmal auf Sisyphus umzumünzen: er hat damit den Stein am Gipfel des Berges einfach einbetoniert.